Der tiefe Fall von Eike, dem Kühnen
Der Aufstieg von Eike Batista stand stellvertretend für den Boom in Brasilien. Doch nun ist der Traum des Milliardärs geplatzt.
Die Firmen des brasilianischen Milliardärs Eike Batista haben eins gemeinsam: Sie enden auf den Buchstaben X. Der stehe stellvertretend für Vervielfachung, für enormes Wachstum, sagt der Unternehmer. Tatsächlich schien es für sein Firmengeflecht lange Zeit keine Grenzen zu geben. Ende 2009 hatte es Batista durch Geschäfte mit Öl und Gas, seinen Hotels und Investitionen in der Unterhaltungsindustrie zum reichsten Mann Brasiliens gebracht.
Im Frühjahr 2012 schätzte das Magazin Forbes Batistas Vermögen auf 35 Milliarden Dollar, damit galt er als siebtreichster Mann weltweit. Für den Brasilianer war das aber nicht genug: Er wollte Carlos Slim überholen, den mexikanischen Telekommunikationstycoon und laut Forbes reichsten Menschen der Welt. Das sei nur eine Frage der Zeit, verkündete der Brasilianer 2012. In drei Jahren werde es soweit sein.
Nur ein Jahr später ist Batistas einst enormes Vermögen auf 4,8 Milliarden Dollar geschrumpft. Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort ist eine Mischung aus verlorenem Vertrauen und Größenwahn.
Vertrauen war immer die wichtigste Währung in Eike Batistas Reich: Wie kein anderer konnte der stets smart gekleidete Mann mit den stahlblauen Augen Investoren umgarnen, ihnen einflüstern, dass es mit ihm an der Spitze schon klappen würde. Auch die Politik war beeindruckt. Präsidentin Dilma Rousseff sagte einmal über ihn: "Er ist ein besonderer Unternehmer mit ehrgeizigen Träumen."
Ein Superhafen mit Freihandelszone und 250.000 Menschen
Zu Batistas Verkaufsstrategie gehörte aber immer auch seine eigene Geschichte. Er ist der Sohn eines Bergbauunternehmers und früheren Energieministers Brasiliens und dessen deutscher Frau. Sein erstes Geschäft machte er nach einem abgebrochenen Studium in Ingenieurswissenschaften an der RWTH Aachen mit dem Kauf einer Goldmine.
Mit 23 Jahren hatte er, so erzählt es Batista selbst, schon sechs Millionen Dollar auf dem Konto. Mit diesem Startkapital entwickelte er ein komplexes Geflecht von Unternehmen aus dem Öl, Gas und Logistiksektor. Hunderte Millionen Euro investierte er in die Offshore-Förderung von Öl und Gas. Ein Beispiel: In Açu, vor Rio, sollte unter seiner Führung und mit seinem Geld ein Superhafen entstehen, inklusive Freihandelszone, Schienenanbindung, Werft, einer Stadt mit 250.000 Einwohnern und einem eigenen Kraftwerk.
Açu steht stellvertretend für die meisten Projekte des Milliardärs: extrem ehrgeizig, völlig überdimensioniert und allein getragen vom Glauben an die eigenen Fähigkeiten. "Kühnheit ist eine wichtige Eigenschaft des Unternehmers. Die Welt gehört den Kühnen", sagte Batista einmal. Und: "Wer an sich selbst zweifelt, kann weder seine Leute noch den Markt anfeuern."
Und kühn war sein Idee, alles aus einer Hand anzubieten, tatsächlich. Das Herz von Batistas Reich ist die Ölfirma OGX, die vor der Küste Brasiliens Öl und Gas fördert. An sie liefert der Hersteller von Ölplattformen OSX die Fördergeräte. Operationsbasis ist der Hafen in Açu, gebaut vom Logistikarm LLX. Açu sollte zudem als Umschlagplatz für einen Teil der Produktion des Bergwerkskonzerns MMX dienen. Den Strom liefert MPX. Diesen Plan verkaufte Batista als einfach, aber brillant. Gegenseitig würden sich die Firmen zu immer größerem Wachstum treiben, versprach er.
Die Investoren glaubten ihm und hofften auf ein gutes Geschäft. Sie wollten am Öl-Boom in Brasilien mit verdienen, denn seit 2007 sind vor der Südküste gigantische Ölfelder entdeckt worden. In der Vergangenheit lag das Ölgeschäft zwar vornehmlich in der Hand des Staatskonzerns Petrobras. Doch Petrobras darf die Preise nicht eigenhändig anheben und muss einen Teil seines Profits an den Staat abgeben. Zum Öl kam Batista, als Petrobras entschied, einen Teil seiner Ölvorkommen abzugeben. Batista witterte das Geschäft seines Lebens.
Mit der ihm eigenen Art überzeugte er vor allem kanadische Pensionsfonds, mit einzusteigen. 500 Millionen Dollar brachte er auf, um die Bohrlizenzen zu ersteigern. Der Geologe und Exmitarbeiter Batistas Joao Carlos Cavalcanti sagte darüber: "Die Vorkommen waren nicht die besten. Aber Batista verstand es, sie zu verkaufen." Von den Banken verstünde eh niemand den Energiemarkt. "Die interessieren sich nur für Zahlen und wissen nicht, wie die Dinge wirklich funktionieren."
Eike Bastista stand aus Sicht vieler für die Zukunft des brasilianischen Ölgeschäfts. Der Börsengang von OGX 2008 brachte 4,1 Milliarden Euro und war damit der größte in der Geschichte Brasiliens. Und in den ersten Jahren danach ging es tatsächlich nur bergauf. So stieg der OGX-Aktienkurs von anfänglichen zwölf Dollar auf bis zu 20 Dollar. Die Pläne waren schwindelerregend: Aus dem Tubarão-Azul-Ölfeld wollten Batistas Firmen bis 2019 täglich 1,4 Millionen Barrel Öl pumpen. In zehn Jahren hätte OGX damit eine Förderquote erreicht, für die Petrobras 50 Jahre gebraucht hat.
Dazu kam es jedoch nicht: Im Sommer 2012 musste OGX eingestehen, bislang nur ein Zehntel der anvisierten Menge gefördert zu haben. Als Grund gab das Unternehmen in einer knappen Mitteilung technische Schwierigkeiten und unerwartet aufgetretene geologische Problem an. Das Tiefseeöl Brasiliens ist extrem schwer zu fördern, weil es unter einer kilometerdicken Salzschicht verborgen liegt – damit hatte schon Petrobras Probleme.
Batistas Firmen sind kaum noch etwas wert
Die Mitteilung markierte den Anfang vom Ende der Pläne Batistas und der Träume seiner Investoren. Auf einmal konnten die Aktionäre ihre OGX-Anteile nicht schnell genug loswerden. Der Kurs sank um 90 Prozent. Zuletzt konnte man eine OGX-Aktie für 0,61 Cent kaufen. OGX hatte sich zu sehr auf das eine Ölfeld konzentriert. Für andere besaß der Konzern keine Lizenz und es fehlte an finanziellen Reserven, um solche Lizenzen zu erwerben.
Weil seine anderen Firmen direkt vom Erfolg von OGX und der Ausbeute des Ölfelds Tubarão Azul abhängig waren, gerieten auch sie unter Druck. Bis auf die Hoffnung auf ein gutes Geschäft irgendwann in der Zukunft, hatten sie bislang kaum etwas produziert. Im Hafen von Açu, der immer noch nicht komplett fertig ist, streikten zuletzt die Arbeiter, weil ihre Gehälter nicht gezahlt wurden. Nun will Batista Anteile seiner Unternehmen abstoßen, um an Geld zu kommen. Doch dafür könnte es zu spät sein.
Für viele stand Eike Batista für das neue Brasilien. Hart arbeitend, raffiniert, mit dem Mut zum Risiko. Auch dass er seinen Reichtum offen zeigte, nahm ihm niemand übel. Batista sammelte keine Kunst oder Antiquitäten, er bevorzugte Yachten, Autos und Flugzeuge. Mitten in seinem Wohnzimmer stand ein Bugatti und ein Mercedes-Benz McLaren SLR. Im Speedboat stellte er einen neuen Rekord für die Strecke von der Hafenstadt Santos bis nach Rio de Janeiro auf. Er heiratete eine Karnevalskönigin und ließ sich wieder von ihr scheiden.
Einige befürchten nun, Batistas Absturz könnte auch eine Trendwende für das boomende Brasilien bedeuten. Nach Jahren mit hohem Wachstum ist das Land ins Schlingern geraten. Die Inflation steigt, die Aktienkurse fallen. Die jüngste schlechte Nachricht kam von Standard & Poor's: Die Rating-Agentur setzte den Ausblick des Landes auf negativ. Heißt: Bald könnte die Kreditwürdigkeit Brasiliens herabgestuft werden.
Batista hatte in der Vergangenheit immer mit den phantastischen Aussichten seines Landes geworben, er schwärmte von großen Rohstoffvorkommen und der wachsenden, konsumbereiten Mittelklasse. Von der ist im vergangenen Monat ein Großteil auf die Straße gegangen, weil der steigende Wohlstand des Landes nicht bei ihnen ankommt. Dass die Politik ihrem einstigen Liebling Eike Batista in diesem aufgeheizten Klima zu Hilfe kommt, darf bezweifelt werden. Miriam Leitão, Wirtschaftshistorikerin und Kolumnistin der Zeitung O Globo schrieb: "Batista sammelte Wind und verkaufte ihn. Mit seiner Euphorie hat er viele getäuscht."
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