Routinier ohne Motivationsprobleme

Jörgen Persson war schon Einzel- und Mannschaftseuropameister, als Deutschlands Tischtennis-Nachwuchshoffnung Dimitrij Ovtcharov noch gar nicht geboren war. Beim European-Top-12-Turnier zeigte der Schwede nicht nur Ovtacharov, dass nach wie vor mit ihm zu rechnen ist.

FAZ-NET
09.02.2009

Die Geschichte schien sich zu wiederholen. Wieder stand Jörgen Persson im Viertelfinale, wieder ging es gegen den Griechen Kalinikos Kreanga, und wieder gewann Persson den ersten Satz. Es war eine der aufseheneregendsten Episoden bei Olympia: der 42 Jahre alte Schwede - der zusammen mit Jan-Ove Waldner das Tischtennis jahrzehntelang prägte und sich eigentlich schon vor drei Jahren zurückgezogen hatte - als letzter verbliebener Europäer in einem Halbfinale voller Chinesen. Doch anders als in Peking schaffte es Persson in Düsseldorf beim Europe-Top-12-Turnier das Halbfinale nicht. Irgendwie glitt ihm das Spiel gegen Kreanga immer mehr aus den Händen und er unterlag am Ende deutlich mit 1:4 Sätzen. Trotzdem machte Persson mit seinem beherztem Spiel im Turnier deutlich, dass Olympia kein Ausreißer war, dass immer noch stets mit ihm zu rechnen ist. Auch wenn dies, wie er betont, nun wirklich seine letzte Saison auf internationaler Ebene sein soll.

Perssons wiedergefundene Stärke bekam auch Dimitrij Ovtcharov zu spüren, mit 20 Jahren das deutlich jüngste Mitglied der ältlichen Riege der europäischen Top-Spieler. Dabei sah alles nach einer klaren Sache für Ovtcharov aus. 3:1 nach Sätzen führte er schon. Für Persson aber kein Grund zur Panik. „Ich habe im Tischtennis wirklich alles gesehen, mich kann nichts mehr schocken“, sagt er. Also spielte er einfach ruhig weiter und kam immer besser ins Spiel, während sein junger Gegner nervöser wurde, immer mehr vermeidbare Fehler machte und schließlich noch mit 3:4 verlor.

Dass Ovtcharov dem Schweden an Erfahrung weit unterlegen ist, liegt auf der Hand. Er war noch gar nicht geboren, da war Persson schon Einzel- und Mannschaftseuropameister. Erstaunlich ist aber, dass Persson auch in puncto Tempo und Reaktionsfähigkeit mit den jüngsten Konkurrenten mehr als nur mithalten kann. „Da gibt es kein Geheimrezept, ich versuche halt punktuell zu trainieren und mich stets den neusten Entwicklungen anzupassen“, sagt der schlacksige Blondschopf, dem man sein Alter nur aus allernächster Nähe ansieht. Motivationsprobleme kennt er seit Peking nicht mehr. „Das war ein tolle Erlebnis, das mir natürlich noch einmal einen Kick gegeben hat.“

Auf Olympia hatte Persson alles gesetzt. Eine olympische Medaille ist so ziemlich das einzige, was er in seiner 1983 gestarteten Karriere nicht erreicht hat. Es schien ihm keine Ruhe zu lassen. So hart wie vor Peking trainierte er noch nie, obwohl oder vielleicht gerade weil er vom süßen Leben eine ziemlich gute Vorstellung bekommen hatte. An einer qatarischen Tischtennis-Akademie sollte er dem Nachwuchs des Wüstenstaates auf die Sprünge helfen. „Doch ich war kein guter Trainer. Ich fing immer wieder selbst an zu spielen“, erinnert sich Persson.
Auch wenn es mit der Medaille knapp doch nicht klappte, hat sich für Perrson die Rückkehr gelohnt: „Ich weiß jetzt, dass ich die Ziele, die ich mir setze, immer erreichen kann. Und eine Medaille bei der Weltmeisterschaft in Yokohama wäre auch ein toller Abschluss.“

Über die Zeit danach will Persson sich noch nicht den Kopf zerbrechen. Schwedens Tischtennis-Anhänger machen das wahrscheinlich schon, denn Perrson ist der letzte verbliebene einer goldenen Generation, die in den achtziger und neunziger Jahren die europäische Szene dominierte und die übermächtigen Chinesen oft empfindlich ärgern konnte. Persson sieht das lakonisch: „Solche Leute wie mich, Waldner und die anderen auf einen Haufen, das gibt es eben nur einmal in hundert Jahren“. Auch auf Perssons drei Kinder sollte man eher nicht setzen. „Der älteste spielt Fußball und meine Tochter macht Jazz-Dance. Tischtennis spielen wir nur manchmal in der Garage.“

© Constantin Wißmann